Der Jahreskreis 2020

 

Imbolc / Lichtmess

 

Dieses Jahr war es eine besondere Energie.

 

Nachdem wir bis Anfang Februar überhaupt keinen Winter hatten und bereits Engelwurz, Rosen und Huflattichaustriebe, bzw. erste Blüten hatten, kam dann genau zu Imbolc die Wende mit dem ersten Schnee.

 

In diesem Jahr ging ich auf Visionssuche für das neue Jahr. Ich wollte mich von den Pflanzen rufen lassen, was etwas schwierig wurde, nachdem der Schnee gekommen war. Aber ich dachte mir dann, warum nur die Pflanzen nutzen. So ließ ich mich auf die Natur ein mit den Elementen. Was ich gespürt habe, ist ziemlich viel Bewegung und wenig Pflanzenenergie. Von heute aus betrachtet, hat es genau gepasst, obwohl der Lockdown mit Corona ab März eine Ruhephase zu sein schien, aber es hat den Alltag privat und beruflich auf den Kopf gestellt. Auch vom Wetter her gab es eigentlich nur noch starken Wind und viel Niederschläge.

 

 

 

Ostara / Frühlingtag und - nachtgleiche

 

 

Zum Frühlingsbeginn am 20. März gab es ein Wechselbad der Gefühle.

Das Wetter war zum großen Teil schlecht und Schnee und Regen wechselten sich ab.

 

Die ersten Schlüsselblumen zeigten sich als kleine, gelbe Blütenknospen und sie gelte als Türöffner für die neuen Jahresenergien. Auch der Waldmeister kommt mit den ersten Blättern. Trotzdem war zum Frühlingsbeginn alles noch weiß verschneit. Verbunden mit der Ostera-Energie ist der Huflattich mit seinen gelben Blüten. Sie sind der erste Farbtupfer bei uns und stehen für mich für Lebensfreude, als kleine Sonnen. Daher ist eines der ersten Rituale für die Herstellung einer Blütenessenz aus Huflattichblüten.

 

 

 

Beltaine / Walpurgis

 

Bärlauchzeit. Diese Bärenkräfte brauchen wir jetzt. Ich verarbeite Bärlauch in allen Varianten. Tinktur, Pesto, Butter, Ölauszug etc. Wir reden nur noch über das Wetter, das gefühlt seit Januar schlecht ist. Immer wieder Schnee, Regen und Wind. Es wächst kaum etwas.

 

Und trotzdem schaue ich mir die Fotos aus dieser Zeit an, so geht es doch weiter. Die Natur lässt sich nicht aufhalten. Die ersten Birkenblätter entfalten sich, die Schlüsselblume steht nun in ihrer Blüte und ich ahne auch schon die noch versteckten Apfelblüten. Und trotzdem, dieser Überschwang, diese Lebensfreude, diese Farben, die mit dem Fest in Verbindung stehen, zeigen sich in diesem Jahr nicht. Alles geht ganz langsam. Aber dieses Jahr ist das Wetter Anfang Mai wirklich speziell. Immer wieder diese Kälteeinbrüche und Schnee, den wir uns im November und Dezember gewünscht hätten.

 

Diese Zeit ist aber auch immer mit der Rückkehr der Kraniche verbunden. Auch dieses Jahr. Die ersten Kraniche besuchen mich auf der Wiese hinter dem Haus. Herrlich. Das gibt mir das Gefühl, es geht in Richtung Sommer.

 

 

Mittsommer / Sommersonnenwende

 

Die wunderbare Zeit der lauen Sommernächte. Der Juni in diesem Jahr war ein Traum. Wir wurden entschädigt für die Zeit davor und das wir bis zum 17. Mai noch Schnee hatten. Es ist Tag und Nacht hell und es gibt wunderschöne Sonnenuntergänge. Alles scheint zu brodeln voller Energie. Es pulsiert, wie die Erde unter mir.

 

Die Rosenzeit beginnt, die Apfelblüte duftet verschwenderisch und trotz der Fülle liegt auf diesem Fest bei uns ein Hauch von Melancholie. Denn nun werden die Tage wieder kürzer. Noch ist es nicht spürbar und das Sonnenrad steht auch einige Tage still. Aber dann beginnt es sich weiterzudrehen und die zweite Jahreshälfte beginnt.

 

Ich schaue zurück. Was habe ich gemacht? Wie habe ich die erste Hälfte genutzt? Was möchte ich mit in die zweite Jahreshälfte nehmen?

 

Wir verbringen die meiste Zeit draußen. Ich komme mit der Gartenarbeit nicht nach. Die Natur scheint das nachzuholen, wo sie vorher erst langsam in Gang gekommen ist. Alles wächst gleichzeitig und wuchert fast. Aber noch überwiegt die Farbe Grün. Die Blütezeit kommt erst noch.

 

 

Lughnasadh

 

Die Sommersonnenwende mit den wunderbaren hellen Nächten, die so viel Aktivität bringen, liegt schon längere Zeit zurück. Mittlerweile wird es in der Nacht schon wieder einige Zeit dunkel und die ersten Sterne sind bei uns zu sehen. Noch ist es warm und wir hatten, im Gegensatz zu anderen Regionen in Norwegen, bislang einen sehr schönen Sommer.

 

Wenn ich durch meinen Garten gehe, genieβe ich den Anblick der Rosenblüten, die ein wirklich gutes Jahr haben. Selbst Mimosen für unser Klima, wie Louise Odier, Mme Hardy oder Leda, kommen dieses Jahr zur Blüte. Es ist eine verschwenderische Zeit und das passt zum Gedanken, dass dieses Fest im Jahreskreis zu den Erntefesten gehört. Jetzt beginnt auch die hohe Zeit der Kräuterfrauen und die Hauptsammelzeit. Viele Kräuter stehen in voller Blüte und sind dann am gehaltvollsten. Dost, Thymian, Johanniskraut, Engelwurz und viele andere, verbreiten einen wunderbaren Duft, gerade wenn der Wind vom Meer herüber weht.

 

Dieses Jahr war der Wind freundlich gestimmt. Er war vorhanden, manchmal an richtig warmen Tagen sogar ersehnt, aber er war nicht so stürmisch, wie im letzten Sommer. So gab es viele Tage, die man drauβen nutzen und unsere Natur an der Küste genieβen konnte.

 

Bei mir stehen viele Kräuterverarbeitungen an. Die Destillation von Hydrolaten mit Küchenutensilien, die einen wunderbaren Duft in meiner Küche verbreitet, ein Engelwurzsalz, diesmal mit Samen, mein Jahreskräutersalz wird weiter gefüllt mit aktuellen Kräutern und ich werde einige Oxymel für den Winter ansetzen.

 

Ich finde immer die Zeit von der Sommersonnenwende zu Lughnasadh geht viel zu schnell. Im Frühjahr kommen mir die Tage immer länger vor bzw. das Tempo, in dem die Zeit voranschreitet. Es gibt so viel auf einmal zu tun und ich merke, dass ich hier in Norwegen das Thema Vorsorge viel mehr präsent empfinde. Ich halte Ausschau nach neuem Kaminholz, weil die Vorräte mittlerweile aufgebraucht sind, schaue nach, ob alle Sicherungen noch als Ersatz vorhanden sind, Streichhölzer werden aufgefüllt, Ersatzglühbirnen besorgt. Aber auch die Versorgung wird immer wichtiger. Ich freue mich wie ein Kind über meine frischen Radieschen aus dem Garten, vor allem beim Anblick der in Plastik verpackten Angebote im Supermarkt. Mein Feldsalat ist wunderbar grün und ich werde noch Wintersalate in mein Frühbeet aussäen. Der Gedanke daran, ständig frische Kräuter im Garten zu haben, geht dem Ende zu und die letzten Pestos, Pasten und anderen Konservierungen werden getätigt. All das gibt mir aber ein gutes Gefühl, etwas, das ich früher so nicht hatte. Natürlich haben wir hier auch einen Supermarkt, aber das Angebot ist dann doch reduziert und wenn wir mal etwas auβergewöhnliche Dinge haben möchten, müssen wir 45 min mit dem Auto fahren. Im Winter bei Schnee und Glatteis kein Vergnügen.

 

Lughnasadh war auch ein Getreidefest und mit dem Getreide aus der neuen Ernte wurde Brot gebacken. Das ist hier nicht besonders präsent, denn hier in unserer Region wird kein Getreide angebaut. Viel Getreide in Norwegen wird importiert. Die vielen Getreidefelder, die ich aus Deutschland kannte, sieht man hier kaum. Aber gerade der Gedanke daran, dass nicht alles selbstverständlich zu haben ist, lässt uns die vorhandenen Nahrungsmittel mehr wertschätzen. Auβerdem waren einige Artikel in der Coronazeit durchaus mal ausverkauft. (kein Toilettenpapier, das war immer vorhanden. 😊) Daran merkt man auch, wie abhängig wir von den Angeboten von den Supermärkten geworden sind. Auch ein Gedanke, dem man bei diesem Erntefest durchaus mal nachgehen sollte.

 

Noch sind die Wiesen grün, die 2. Heuernte ist eingefahren, die Bäume sind noch nicht verfärbt, aber der Duft der Luft und der Erde verändert sich bereits. Auch die ersten Nebelschwaden ziehen wieder wie eine Bettdecke über die Berggipfel. Die Touristensaison, die keine war, ist bald auch dieses Jahr endgültig vorbei und noch mehr Ruhe kehrt ein. Aber jetzt gilt es, die Zeit zu nutzen, um sich selbst und die Vorräte auf die dunklere Jahreszeit vorzubereiten. 

 

 

Mabon / Herbst-Tag- und Nacht Gleiche

 

In diesem Jahr 2020 war die Herbst-Tag- und -Nacht-Gleiche am 22. September. Die Veränderung der Energien ist hier bei uns in Norwegen aber schon früher spürbar. Während es in Deutschland im September noch sehr warm war, meldete sich bei der uns der September direkt mit den ersten Herbststürmen und kühlen Temperaturen. Der Duft der Erde ändert sich. Vor allem morgens ist das spürbar. Es riecht feuchter, nicht nur durch die Nebelschwaden. Heute Morgen Anfang Oktober, wo ich den Artikel schreibe, war die Wiese wie mit Tau komplett überzogen. Das gab es bisher nicht. Der Herbst ist da.

 

Das Thema Gleichgewicht hat mit dieser Zeit zu tun. Die Natur pendelt sich ein auf die Herbstenergien. Heute ist es total still. Es weht kein Wind. Das Meer sieht aus wie ein stiller See. Und die Natur draußen scheint sich zurückzuziehen. Kaum noch Vögel sind zu hören. Mitte September sah das noch anders aus. Es sind zurzeit auch kaum Wildtiere zu sehen. Das liegt leider auch an der Jagdsaison, die seit Mitte September schon einige unserer Rehe getroffen hat. Seitdem sind keine mehr zu sehen. Ja, auch die Jagd dient dem Gleichgewicht, aber hier kamen seit Frühjahr immer dieselben Tiere. Sie waren uns fast wie Haustiere ans Herz gewachsen. Wir hätten kein Problem damit, wenn wir eine Population in unserer direkten Umgebung von 80 Tieren und mehr hätte. Das da reguliert wird, ist ok. Aber es waren genau 3 Familien, die immer wieder kamen und ein einzelnes Reh. Jetzt kommen keine mehr. Auch die Füchse sehen wir nicht mehr. Gleichgewicht. Ja auch in mir suche ich nach dem Gleichgewicht, vor allem nach der Begegnung mit den Jägern vor kurzem. Dazu gehören für mich die Naturverbindungen unbedingt dazu. Zu spüren, wie sich die Luft verändert, die Elemente, was sich in mir verändert.

 

Der Herbst ist auch geprägt von wunderbaren Herbstfarben. Dieses Jahr sind sie besonders schön. Daher haben wir einen Ausflug durch unsere Region gemacht. Einige Strassen sind bereits in der Wintersperre und deshalb gilt es die Zeit zu nutzen.

Die Gräser verfärben sich bereits gelb, auch die Bäume, aber in meinem Garten blüht noch viel. Die Kapuzinerkresse läuft im Moment zur Höchstform auf. Lange hat sie gebraucht, bis sie überhaupt etwas gewachsen ist. Nun erfüllt sie mein Herz mit dem Farbenrausch. Selbst das Johanniskraut blüht immer noch unermüdlich seit Juli. Auch der Wermut und der Beifuβ geben noch nicht auf mit ihren Blüten. Aber nun ist im Kräutergarten eher die Zeit der Wurzeln. Baldrian, Klette und Engelwurz stehen auf dem Sammelplan und die Holunderbeeren, wenn der letzte Sturm nicht alle mitgerissen hat.

 

Der Herbst erinnert mich auch immer wieder an die schöne Geschichte der Maus Frederik. Alle Mäuse waren fleiβig und sammeln Nahrung für die Wintervorsorge. Nur Frederik nicht. Er saβ auf einer Anhöhe oder im Gras und schaute in den Himmel oder in die Umgebung. Die anderen Mäuse fragten ihn was er da tue und ob er nicht helfen wollte. Er sagte, dass er Farben und schöne Erinnerungen an das Licht sammeln würde für den Winter. Die anderen Mäuse lachten ihn aus, andere beschimpften ihn auch als faul. Aber sie hatten keine Zeit. Sie mussten vorsorgen. Schlieβlich kam der dunkle Winter und irgendwann waren die Vorräte der Mäuse fast aufgebraucht. Sie waren traurig und hatten Angst, ob es jemals wieder Frühjahr werden würde. Dann fragten sie Frederik ob er ihnen nicht Geschichten von der Sonne, den Farben und dem Licht des Sommers erzählen könnte. Dieser begann daraufhin zu erzählen und er malte alles so herrlich in seiner Erinnerung aus, dass den Mäusen ganz warm ums Herz wurde. Als dann endlich das Frühjahr kam, lachte niemand mehr über Frederik, der seinen Teil der Vorsorge beigetragen hatte.

 

Ich versuche im Moment wie Frederik zu sein, denn die dunkle Zeit steht vor der Tür und auch die Zeitumstellung Ende Oktober. Das macht mir zu schaffen, denn diese 1 Stunde, die es dann früher dunkel ist, von einem Tag auf den anderen, ist heftig. Daher versuche ich mein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Verhalten von Frederik und dem Sammeln der Eindrücke und der aktiven Phase, den Garten winterfest zu machen und noch einiges an Erledigungen, für die ich all meine Energie brauche. Ab November geht es dann in die ruhige Phase, dieses Jahr noch extremer als sonst, weil niemand genau weiβ, wie das nächste Jahr aussehen wird. Bleiben die Beschränkungen bestehen? Dürfen Touristen einreisen? Wie kann man das Jahr planen?

 

Doch jetzt rufen mich die Wildgänse nach drauβen. Ich werde im Garten arbeiten und Farben und Licht sammeln, wie Frederik.